Vollautomatische Auswertungen in der Cloud-Apple & weitere Dienstleister
Zunehmend gibt es Systeme, die eine vollautomatische Erkennung von bestimmten Herzrhythmusstörungen propagieren oder gar die komplette Langzeit-EKG Auswertung vollautomatisch/maschinell ersetzen wollen.
Wir alle kennen die Apple Watch, die bereits ein (1-Kanal) EKG schreibt und vor Vorhofflimmern wartl. Leider sind die Erkennungsraten der Uhr in komplexeren Situationen eher unbefriedigend (s.u.), in einfachen Situationen aber gut.
Systeme, welche gar die komplette Auswertung des Langzeit-EKG Datensatzes vollautomatisch "durchführen", scheitern bereits an kleineren Problemen wie wechselnde Signalqualität, Schrittmacher, wechselnder P-Wellen Amplitude, höhergradige AV-Blockierungen oder der Unterscheidung einer atrialen Tachykardie von paroxysmalem Vorhofflimmern, Sinustachykardie mit vielen supraventrikulären Extrasystolen oder Vorhofflattern. Die haftungsrechtliche Situation ist völlig unklar. Da die Leistung zudem oft im Ausland erbracht wird, ist die Vergütungssituation problematisch.
Da bei maschineller Auswertung ein nachträgliches Templatematching oder gar eine Überprüfung der Ereignisarten i.d.R. nicht erfolgt (bzw. nicht vorgesehen ist), kann das Ergebnis der maschinellen Auswertung zudem nicht adäquat überprüft werden.
Apple Watch 4 EKG
Die Signal-Qualität eines 1-Kanal Ruhe-EKG´s der Apple Watch kann durchaus überzeugen. P-Wellen Darstellung und PDF-Dokumentation sind gut. Im EKG-Streifen links sehen Sie eine unauffällige Aufzeichnung, die vom System korrekt erkannt wurde.
Die Länge einer Flimmer-Episode kann anhand des Ausdrucks nicht exakt abgeschätzt werden. Aus diesem Grund wird man bei paroxysmalem Vorhofflimmern aus haftungsrechtlichen Gründen wohl versuchen (müssen), die Episode im Holter-EKG "nachzuvollziehen".
Klinische Leitlinien, die das Ergebnis einer Watch-Aufzeichnung berücksichtigen, gibt es derzeit (noch) nicht.
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Probleme des Apple Watch EKG´s
Die Apple Watch erkennt derzeit kein Vorhofflimmern, sondern gibt einen Hinweis, dass Vorhofflimmern vorliegen könnte. Dies ist ein kleiner aber durchaus bedeutsamer Unterschied!
Bereits bei einem regulären Sinusrhythmus mit reichlich auftretenden supraventrikulären Extrasystolen versagt der Erkennungs-Algorithmus.
Links sehen Sie ein typisches Beispiel dieser Fehl-Interpretation. Es liegt eben kein Vorhofflimmern vor, sondern ein reg. Sinus-Rhythmus mit gehäuft auftretenden supraventrikulären Extrasystolen.
Es ist zu befürchten, dass durch die zunehmende Verbreitung der Uhr nicht nur mehr paroxysmales Vorhofflimmern erkannt wird, sondern auch mehr Patienten mit falsch positiven Befunden zur weiteren Abklärung in den Arztpraxen vorstellig werden.
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Probleme bei vollautomatischer Holter-EKG Auswertung
Auch wenn die Industrie uns gerne ein vollautomatisches Erkennungssystem verkaufen möchte, so sind die Ergebnisse in komplexen rhythmologischen Situationen eher bescheiden. Das Problem ist vergleichbar mit autonomem Fahren: ein 80 %ig gut funktionierendes System ist machbar. Für eine korrekte Kennungsrate von 99.9 % sind aber enorme Anstrengungen zu unternehmen.
- Artefakte und Signalqualität: Artefakte und wechselnde Signalqualität sind für einen geübten Anwender kein Problem. Bei maschineller Auswertung ist die Unterscheidung zu echten Pausen oder echten Kammertachykardien oft unzureichend.
- Höhergradige AV-Blockierungen und Pausen: Die aktuellen Systeme können AV-Blockierungen nicht korrekt unterscheiden. Für die Prognose und die weitere Therapie-Planung ist es allerdings notwendig zu wissen, ob ein Mobitz - oder Wenckebach Block vorliegt, wann die verschiedenen Blockarten auftreten und wie oft. Da der Anwender bei maschineller Auswertung kein komplettes Auswertesytem zur Verfügung hat, ist die genaue Differenzierung meist nicht möglich.
- Fehlmatching: Es besteht i.d.R. keine Möglichkeit die Zuordnung der verschiedenen Schlaggruppen (SVES, VES, Normalschläge) zu überprüfen. Eine Umgruppierung von Schlaggruppen ist im Routine-Alltag eines EKG-Labors üblich. Bei vollautomatischer Auswertung entfällt dieser wichtige Vorgang komplett.
- Flimmern/Flattern/Atriale Tachykardie, SVES: Die korrekte maschinelle Unterscheidung zwischen parox. Vorhofflimmern, Vorhofflattern, atrialer Tachykardie oder Sinusrhythmus mit gehäuft auftretenden supraventrikulären Extrasystolen ist derzeit i.d.R. nicht (ausreichend genau) möglich. Eine korrekte, semimanuelle Flimmerlast-Bestimmung, wie wir Sie bieten, ist derzeit überhaupt nicht möglich. Die exakte Dokumentation einer mindestens 30 Sekunden andauernden Flimmer-Episode, wie sie zur haftungsrelevanten Einleitung einer oralen Antikoagulation gefordert wird, wird i.d.R. nicht durchgeführt.
- Aberranter Leitung: Eine Unterscheidung zwischen supraventrikulärer Tachykardie mit aberranter Leitung und "echten" Kammertachykardien ist bei maschineller Auswertung nicht möglich.
- Komplexe Kombinationen: Gerade beim Aufeinandertreffen von verschiedenen relevanten Herzrzythmusstörungen zeigt sich die Limitierung maschineller Auswertung deutlich.
- Dokumentation: Eine nachträgliche Überprüfung und Sichtung der Ergebnisse ist i.d.R. nicht möglich.
Haftung-und Abrechnung
Bei maschineller, vollautomatischer Auswertung eines Langzeit-EKG Datensatzes ist die rechtliche Haftungssituation unklar, wenn nicht sogar problematisch. Man wird davon ausgehen müssen, dass der Arzt, welcher das Langzeit-EKG anlegt, auch für das Ergebnis haften muss. Da ein Nachbearbeiten eines vollautomatisch erstellten LZEKG-Befundes i.d.R. nicht vorgesehen ist, sind fehlerhafte Befunde bei kranken Patienten mit komplexen Rhythmusstörungen relativ häufig. Ob die ärztliche Haftpflichtversicherung im Schadensfall einspringt ist derzeit spekulativ.
Ob ein Langzeit-EKG, welches von einem Cloud-Dienstleister im Ausland vollautomatisch verarbeitet wurde, im deutschen GKV-System überhaupt abgerechnet werden darf, ist derzeit noch unklar.
Die Langzeit-EKG-Auswertung in den Händen eines erfahrenen Kardiologen/Rhythmologen ist derzeit Goldstandard. Aufgrund der Komplexität der Materie werden vermutlich noch viele Jahre vergehen, bevor die maschinelle Auswertung akzeptable und verlässliche Ergebnisse liefern kann. Bereits das einfache Ruhe-EKG lässt sich heutzutage in vielen Fällen nicht korrekt vollautomatisch auswerten, die Langzeit-EKV-Auswertung ist um ein vielfaches komplexer.